Von ao.Univ.-Prof. Konrad Podczeck
Institut für Volkswirtschaftslehre
Am 21. Februar 2017 starb Kenneth Joseph Arrow. Zusammen mit John Richard Hicks erhielt Arrow 1972 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Arrow nahm 1971 das Ehrendoktorat unserer Universität an.
Von den bahnbrechenden Arbeiten, die Arrow vorlegte, seinen hier drei erwähnt: "Social Choice and Individual Values" (John Wiley and Sons, New York 1951), “Existence of an Equilibrium for a Competitive Economy" (Econometrica, 1953; gemeinsam mit Gerard Debreu) und "Uncertainty and the Welfare Economics of Medical Care" (The American Economic Review, 1963).
Mit der erstgenannten Arbeit promovierte Arrow 1951 an der Columbia Universität. Diese Arbeit schuf eine eigene Disziplin in den Wirtschaftswissenschaften, die Theorie kollektiver Entscheidungen, und dass eine einzige Arbeit, noch dazu eine Dissertation, ein neues Gebiet eröffnet, passiert wohl nicht so häufig in der Wissenschaft. In dieser Arbeit geht es generell um die Vereinbarkeit von Werturteilen auf sozialer Ebene, und insbesondere wird gezeigt, dass demokratische Entscheidungsfindung nicht als eine Regel funktionieren kann, die in allen Umständen mit durchaus plausiblen Vorstellungen über sie vereinbar ist. Dieses Ergebnis wurde teilweise als eher entmutigend aufgenommen. Man kann es allerdings auch positiv interpretieren, nämlich so, dass gesagt wird, dass Demokratie eben nicht als Drücken auf einen Knopf einer cleveren Maschine funktionieren kann, sondern situationsbedingtes soziales Handeln erfordert, und insbesondere von Kommunikation zwischen den Menschen lebt.
Der Aufsatz "Existence of an Equilibrium for a Competitive Economy" kann unter zwei Aspekten gesehen werden, auf einer methodologischen Ebene und als Ideologie-Kritik. Methodologisch gesehen wurde eine Form des ökonomischen Diskurses präsentiert, der darin besteht, die Prämissen des Diskurses mathematisch genau zu formulieren. Diese Form, von Debreu "axiomatische Methode" genannt, ist heute ein Standard in der ökonomischen Theorie, und liefert einen Test für die Konsistenz von Argumenten. Was den Inhalt betrifft, so werden Prämissen aufgelistet, unter denen die Vorstellung, dass Ergebnisse unregulierter Märkte gewisse Optimalitätseigenschaften aufweisen, tatsächlich als Resultat hergeleitet werden kann. Eine Prämisse impliziert, dass es keine Vorteile von Massenproduktion gibt, was sicherlich im Widerspruch zur Realität moderner Industriegesellschaften steht. Eine andere Prämisse bedeutet, dass die Eigentumsrechte an Ressourcen und Produktionsmitteln so verteilt sind, dass wenn einige Individuen am Markt gut verdienen, dann jedes Individuum (oder besser gesagt jede Familie) ein Einkommen am Markt verdienen kann, das mehr bietet als zum Überleben nötig ist. Angesichts der Tatsache, dass täglich Menschen verhungern, oder angesichts der Bettler auf den Straßen, ist wohl auch diese Prämisse als im Widerspruch zur Realität stehend zu betrachten. Die (leider viel zu selten gelesene) Arbeit "Existence of an Equilibrium for a Competitive Economy" ist somit hoch aktuell für die Auseinandersetzung mit neoliberalen Ideologien, wenn es um das Thema Regulierung versus Deregulierung von Märkten geht oder um das Thema "bedingungsloses Grundeinkommen".
Der Aufsatz "Uncertainty and the Welfare Economics of Medical Care", der als dritter erwähnt werden soll, beschäftigt sich mit der Frage, wie ökonomische Subjekte mit Information umgehen. Ein Problem in diesem Zusammenhang ergibt sich zum Beispiel daraus, dass Anbieter und Nachfrager eines Gutes oder einer Dienstleistung unterschiedliche Informationen über deren Qualität haben können, und diese Unterschiede bei Abwicklung einer Transaktion nicht verschwinden müssen. Das ist zum Beispiel der Fall in einer Arzt/Patient Beziehung, wo der Patient typischerweise die Qualität der vom Arzt erbrachten Leistung nur unvollkommen beobachten kann. Von Arrow wurde gezeigt, dass solche Probleme nicht über Märkte und Profitmotiv gelöst werden können und dass Faktoren wie ärztliche Ethik wichtig sind.
Um einen Bogen zu spannen, ethische Werte fallen genauso wenig vom Himmel wie Freude an demokratischer Partizipation und die Fähigkeit zu entsprechendem sozialen Handeln. All das muss gelernt und geübt werden und Universitäten sollten hier eine Rolle spielen. Die gegenwärtig zu beobachtende Diktatur der Rektorate an der Universität Wien und der Zwang für Studierende, sich in einem total verschulten Studium von einer Prüfung zur nächsten zu hanteln, sind da wohl die falsche Richtung.
Abschließend sei bemerkt, dass Arrow 1975, u.a. neben Myrdal und Tinbergen, zu den Unterzeichnern einer Erklärung von Nobelpreis-Trägern gehörte in der generelle Zweifel am kapitalistischen System und seiner Profitorientierung geäußert wurden.