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Bericht: Arbeitslosigkeit und ihre Folgen (08.11.2017)

Für die betroffenen Arbeitslosen ist jeder Tag eine neue Konfrontation mit seiner/ihrer Situation. Ein Tag der nicht endet, weil er nicht gefüllt werden kann. "Junge Leute, die am Arbeitsmarkt erst gar nicht Fuß fassen, melden sich von der Gesellschaft ab. Sie haben keine Möglichkeit der Teilhabe. Marienthal ist aktueller denn je.", wird Professor Kittel vom Falter zitiert. Die sogenannten "Scarring Effects" – die Narben, die eine solche (Langzeit)Arbeitslosigkeit mit sich ziehen – betreffen den Menschen psychisch wie physisch. Neben der niedrigeren Lebenszufriedenheit wird auch ein schlechterer Gesundheitszustand beklagt. Vor allem die Jungendarbeitslosigkeit geht nicht spurlos an der Gesamtgesellschaft vorbei: es entstehen dadurch wesentlich höhere Kosten für die Gesamtwirtschaft.
Im 8. Teil der Uni-Serie in der Wiener Stadtzeitung "Falter", Was macht Arbeitslosigkeit mit Menschen?, geht es um die Marienthal Studie ("Die Arbeitslosen von Marienthal") aus dem Jahr 1933, die von Paul F. Lazarsfeld initiiert wurde. Lazarsfeld war, zusammen mit seinem Team um Maria Jahoda und Hans Zeisel, Vorreiter im Bereich der empirischen Sozialforschung. Die Marienthal-Studie war die erste systematische Untersuchung von Arbeitslosigkeit in unserem Raum und hat die Gesellschaft bereits vor über 80 Jahren mit den psychosozialen Folgen der Arbeitslosigkeit konfrontiert.  
Die aktuelle Forschung, "Jung und auf der Suche nach Arbeit in Wien", die Professor Kittel, zusammen mit Nadia Steiber (Co-Projektleitung und Projektdurchführung) und Monika Mühlböck (Projektdurchführung) betreibt, beschäftigt sich damit, was das für einzelne Personengruppen bedeutet, vor allem jene, die noch ganz am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen sollten: In diesem vom Sozialministerium finanzierten Projekt wurden zunächst über 1200 junge Erwachsene zwischen 18 und 28 bei Eintritt in die Arbeitslosigkeit befragt. Rund die Hälfte davon wurde ein Jahr später erneut interviewt, um festzustellen, wie sich die Erfahrung von Arbeitslosigkeit auf ihre Gesundheit, ihr Wohlbefinden, ihre Motivation und auf weitere Einstellungen ausgewirkt hat. Vor allem die Beständigkeit der Arbeitslosigkeit war dabei beobachtbar: ein großer Teil der Befragten war von langandauernder oder wiederkehrender Arbeitslosigkeit betroffen und nur rund ein Drittel verzeichnete innerhalb eines Jahres eine nachhaltige Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt.
Das Forscherteam zeigt zudem, dass das Fehlen des Erwerbseinkommens häufig zu manifester Deprivation führt, die wiederum mit der in der Marienthal-Studie thematisierten latenten Deprivation korreliert. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass sich Langzeitarbeitslosigkeit negativ auf das soziale Vertrauen der jungen Erwachsenen auswirkt.

Im Rahmen des "Falter"-Porträts kommt eben auch Professor Bernhard Kittel als Experte der Wirtschaftssoziologie zu Wort, der in seiner eigenen Langzeitstudie die Erkenntnisse von Lazarsfeld aufgreift und zum Großteil sogar nochmals bestätigen kann. Kittel untersucht auch in seiner Studie, Cultural Pathways to Economic Self-Sufficiency and Entrepreneurship Jugendarbeitslosigkeit, mit Blick auf den europäischen Raum. Im International Entrepreneurship and Management Journal wird das (Klein-)Unternehmertum, welches der krisengeschüttelten Wirtschaft trotzt, ebenfalls auf europäischer Ebene untersucht.

 

© Archiv für Geschichte der Soziologie in Österreich